arabia felix – Ausstellung, Galerie der Stadt Eberswalde, 2006
madina, 2006, 1,45 x 1,00m,
acrylic on canvas
Arabia Felix
Michael Kruscha hat der vielfältige Reichtum des Jemen zu einer Bildserie inspiriert, die weit über die bloße künstlerische Beschreibung eines Landes hinausgeht, die nicht nur bestehende Räume verarbeitet, sondern neue Räume schafft: Reales hat inspiriert und Neues ist entstanden. Vorfindungen wurden zu Erfindungen.
Die Wüsten und Oasen, Terrassenfelder und Lehmstädte des von zwei Meeren umspülten und von Beduinen besiedelten Landes lieferten dem Künstler einen unermesslichen Reichtum an Farben. Michael Kruscha setzte diese Farben in ein spannungsgeladenes Wechselspiel mit geometrischen Formen. Seine Bilder sind vielschichtig wie der Jemen. Deutlich wird diese Vielschichtigkeit beispielsweise an seinem Bild Beduinen beim Picknick: Das Fundament des Werks bildet eine Lasur, die die in der Wüste vorgefundenen Farben diszipliniert und in strenger Ordnung auf die Leinwand bannt. So kraftvoll und expressiv wie eine Oase die Strenge der Wüste durchbricht, hat Kruscha durch einen Akt expressiver Malerei dieses Bildfundament durchbrochen und dem Bild eine zweite Ebene gegeben: Eine Schicht aus kräftigen Farbaufträgen, durch verschiedene Pinselspuren nass in nass ineinander fließend, die mit ihren exzessiven Grüntönen von der Lebendigkeit und Fruchtbarkeit der Wadis (dt.: Wasserlöcher) erzählt. Wie Nomaden über die jemenitischen Landschaften ziehen, ziehen sich schließlich Grafiken über das Bild, die Beduinen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Bildfläche erscheinen lassen. Durch die Vielschichtigkeit des Bildes wird der Blick in die Tiefe gezogen, und es erschließt sich dem Betrachter eine dritte Dimension: Michael Kruschas Bilder sind gleichsam begehbar – in ihnen betritt man einen neuen Raum. Dieser ist grundlegend von der Reminiszenz an arabi felix geprägt, geht aber weit über die Thematisierung des Orients hinaus.
Die dialektische Spannung zwischen Form und Farbe bleibt in Kruschas Bildern nicht nur Mittel zum Ausdruck, sondern wird auch selbst zum Inhalt des Bildes. Form und Farbe werden gleichsam getrennt, um neu zusammengeführt und gegeneinander gestellt werden zu können. Dabei führt Michael Kruscha Form wie Farbe an den Ursprung zurück. Linie und Kreis werden als Grundelemente jeder Form erkennbar, und es wird deutlich, dass die Möglichkeit zu Zeichen und Schrift aus ihrer Differenz erwächst. In der abstrakten Abhandlung von Form und Farbe verlässt das Bild, und mit ihm der Maler wie der Betrachter, das glückliche Arabien. Aber nur, um von neuen Gedanken bereichert zur künstlerischen Verarbeitung von Arabia felix zurückzukehren. Denn die Kunst ähnelt dem Reisen, dem gelegentlichen Verlassen der bekannten Realität, um mit neuen Blickwinkeln wiederzukommen.
Katharina Winkler, Autorin