Tanz des Phönix -Landart und Feuerperformance, 2011, mit Ines Diederich, Tagebau Welzow -Süd

Der Tanz des Phönix,

Katalog, 2011,

Hrsg. Kulturforum der Lausitz, Gut Geisendorf

Verwandlung

Naturraum verändert sich, Landschaft wandelt sich, Kultur entwickelt sich – kaum ein anderer Wirtschaftssektor hat zu so tiefgreifenden und umfassenden Umgestaltungen der Landschaft geführt wie der Tagebau. Ein vertrauter Anblick mit samt seiner Vegetation und Zivilisation verschwindet; ein Loch entsteht, ein Hohlraum, ein Nichts außer reiner Erde – wie eine tabula rasa für ein neues Bild, eine neu angelegte Landschaft, in die Mensch, Tier und Pflanze zurück kehren können.
Mit diesem Geschehen befasst sich Michael Kruscha seit einigen Jahren künstlerisch, seitdem er die Phasen des regionalen Wandels im Lausitzer Braunkohlegebiet beobachtet. Nach einer vor Ort aufgenommenen Fotodokumentation Scado macht er 2011 im Gut Geisendorf mit Ines Diederich die Gemeinschaftsausstellung Paso doble. Hierauf erhalten beide die Einladung, direkt im Abbaugebiet (wo das Dorf ursprünglich stand, das abgerissen wurde) ein Kunstprojekt zu realisieren. Kann Kunst authentischer sein als unmittelbar an dem Ort des Geschehens, das ihr Motiv ist?
Das Gemeinschaftskunstwerk Der Tanz des Phönix, das Momente von Objektkunst, Land Art und Feuer-Performance verbindet, radikalisiert das Wandlungsmotiv sinnlich und sinnhaft. Nach dem Stirb-und-Werde-Mythos schlüpft ein junger Phönix aus der Asche des alten Vogels; Zerstörung und Auslöschung bringen Geburt und Neues hervor. Es entsteht eine sieben Meter hohe abstrahierte Holzfigur, die ihre Flügel wie ein Pfauenrad über der Erde empor streckt – genauer gesagt, über den beim Abbau getrennten Erden in Farben Weiß, Ocker, Braun und Schwarz. Die Dokumentationsfotos zeigen die Gestaltung des Bodens mit diesen Erden: die Phönixgestalt wird umfangen von nestartigen Kreisformationen, an die erdfarbene Rechteckfelder anschließen. Über ehemalige Dorfwege verlegen die Künstler Kohlespuren mit Brennkabeln, die sie während der Performance zünden. Der Vogel geht in Flammen auf; unter musikalischen Begleitung eines Cellisten transformiert das Kunstobjekt zu Asche – was wird sich daraus entwickeln?
Es entsteht eine Malerei-Serie, die sich dem Thema der Landschaftsumwandlung mit eigenen Mitteln widmet. Der Viererblock Gestörte Landschaft nimmt die Farbigkeit jener Erden auf und überführt das Materielle, Sichtbare, Dokumentierbare in die Vorstellung, in die Bilderfindung, Gestaltung. Kruscha reduziert den Anblick des Geländes auf Elementarformen und Dynamismen: Erdschichten transformiert er in Farbschichten, Eingriffsspuren in pastose Gesten. Sie zeigen deutlich die Spannungen und Störungen der (Erd-)Ebenen, verstärkt durch Liniengeflechte, Erde aufbrechende und abtransportierende Bagger und Anlagen andeutend. In den Großformaten verselbständigen sich die Bildelemente zu expressiven Kompositionen, die beide Ebenen – abgebildeten Landschaftsraum und abstrakten Farbraum – interagieren lassen. Erdtönige Flächen bilden gestaffelten Grund, der von Strichen, linearen Progressionen und Strukturen durchzogen bzw. überlagert ist.In Transformation beleben Farbkomplementäre (Schwarz-Weiß, Rot-Grün) und Liniensegmente gleichermaßen das Bild. Bauteile, Stangen oder ein in die Tiefe führender Schienstrang lassen sich hier nur noch erahnen. Dagegen erscheint Sinfonie der Lausitz konkreter, denn das Technisch-Geometrische deutet ein brückenartiges Gerüst an. Formale Spannungen von Flächen und Linien, festem Grund und auflösender Bewegung, Geometrischem und Organischem symbolisieren den Gegensatz von Natur und Technik, Wachstum und Zerstörung. Verlorene Orte zeigt eine Abbauszene naturalistischer: Eine dörflich-ländliche Idylle wird vom riesigen Bagger bedroht, der seinen Schatten vorauswirft und sich immer tiefer in die Erde, immer näher an der Siedlung gräbt. So zermalmt, vernichtet er unten die Erde, die oben für die Landschaft schützend und haltgebend den Boden bereitet – zeigt romantische Natürlichkeit und ihre massive Auslöschung zugleich.
In Korrekturbedarf ist das Dorf bereits verschwunden und lässt nur noch leere Ebenen (aufgerissener Erde sowie angelegter Felder) zurück. Die Natur ist auf dem Rückzug, wird überragt von technischem Gerät, neben dem ein Haus, ein Baum, ein Mensch gering erscheinen. Sieht man dieses Bild und Neu-Seeland als Fortsetzung des Geschehens der Verlorenen Orte, stellt Kruscha mit den drei Bildern die Phasen der Umwandlung dar: Vergangenheit natürlicher Entwicklung, aktuelle Zerstörung und zukünftige Neuanlage der Landschaft – Evolution, Revolution und Produktion von Lebensraum. Jede der Phasen erhält eigene bildnerische Mittel: die natürliche Landschaft ist geprägt vom organischen Ineinander lebendiger Grüntöne (mit komplementärem Ausgleich roter Gemäuer), der Abbauszene von geometrisch-linearer Konstruktion über gestaltlosem Grund und die künstliche Seenlandschaft von klar abgegrenzten Blau-Grün-Flächen, in der Vogelperspektive einer topographischen Karten gleich.
Im Spannungsfeld von Naturalismus und abstrahierender Reduktion, komplex-geometrischer Konstruktion und gerasterten Flächen, dynamisch-dominanter Gestik (in Flutung) oder subtil-symbolhaften Chiffren (Engel, Wolfskopf in Landschaft mit Testpilot), in Anlehnung an Fotodokumentation und Kartografie – Michael Kruscha zeigt in dieser Serie sein enormes malerisches Potential, umkreist mit verschiedensten Techniken konzeptionell das Thema. Er verwandelt das objektive Ereignis in seine Sicht – seine Ansichten formaler Verwandlungen, die Aspekte des regionalen Wandels in Ausdruck und Aussage fixieren.

Dr. Marina Linares, Kunsthistorikerin, © 2013.