Bilder einer Landschaft: Ins Land und über Grenzen schauen

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Bilder einer Landschaft: Ins Land und über Grenzen schauen

Daniela Gregori

Bilder einer Landschaft
23.01 – 30.08.2020

MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten
9020 Klagenfurt, Burggasse 8/Domgasse

Es benötigt nicht viel, um aus einer leeren Fläche ein Landschaftsbild zu machen. Eine Linie vermag es, den Horizont zwischen Himmel und Meer zu markieren oder die Silhouette eines Gebirgsmassives nachzuzeichnen, werden es mehrere, schreiben sich sanfte Hügel gleich Kulissen in das Terrain ein und vermitteln durch ihr Hintereinander eine Idee von Ferne. Doch ist Landschaft freilich weitaus mehr als Motiv und Anlass für perspektivische Kniffe, Landschaft ist ebenso Erinnerungsort, anhand derer sich soziale, politische, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte nachvollziehen lassen. Und wo Landschaft thematisiert wird, sind die Begrifflichkeiten von Heimat und Identität auch selten weit.

In Kärnten, an dessen Grenzen mit Slowenien und dem Friaul gleich drei Kulturkreise zueinander treffen, hat der Blick über die Grenze auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten eine gewisse Tradition. Diesmal allerdings richtet man den Augenmerk ganz wo anders hin. Ausgangspunkt ist nun der Kulturaustausch zwischen Kärnten und den Lausitzer Sorben, der bereits in den 1970er Jahren begann und in den letzten Jahren zu der Projektreihe „ Přechod. Prehod. Übergang. Pśeschod“ wurde. Mit dabei in diesem länderübergreifenden Veranstaltungsreigen sind neben Kärnten und Slowenien die beiden deutschen Partner aus dem Freistaat Sachsen und das Land Brandenburg. Initiiert vom Künstler Karl Vouk zeigt das Museum Museum Moderner Kunst Kärnten nun als dritte Station die Ausstellung „Bilder einer Landschaft“. Ausgewählt wurden die 12 teilnehmenden Künstler von der Chefetage der Ausstellungsstationen, jeweils vier vertreten die Länder Deutschland, Slowenien und Österreich, soweit so paritätisch. Und man scheint sich in der Jury allenthalben verstanden zu haben, denn herausgekommen ist dabei eine spannende Schau, die mit dem herkömmlichen Bild, das man vom Landschaftsbild hat, eher wenig zu tun hat, einem eher grüblen lässt über die eigenen Wahrnehmung und Standpunkt im Speziellen, über den Begrifflichkeiten im Allgemeinen. Sind Landschaften noch Landschaften, auch wenn sie durch den Tagebau, wie bei den Gemälden von Michael Kruscha oder Kark Vouks Kurzfilm „NATUR_NATUR“ als solche verloren sind? Bleibt es ein Landschaftsbild, auch wenn sie wie im Falle von Zorka L-Weiss soweit reduziert ist, dass sie zu einem nahezu geometrischen Konstrukt wird? Beschreibt jene Begrifflichkeit ebenso den Blick auf alles Verfügbare in Form der gesamten Erdkugel wie bei Melitta Moschik oder wie bei Jošt Franko der Blick gegen den Himmel auf fliegende Vögel?

„Erst das Weggehen markiert eine Herkunft“, heißt es so treffend im Katalogbeitrag von Sabrina Kotzian über Hella Stoletzki, die in ihren -ganz Leipziger Schule- mythisch-somnambul aufgeladenen Malerei der Landschaft und Kultur ihrer Herkunft in der Niederlausitz nachspürt. Auch Frauke Rahr dokumentiert mit ihrem erfundenen Sendeformat „Besuch in der Heimat“ den vermeintlichen Blick zurück und begleitet die Bäuerin Emma bei ihrer täglichen Arbeit. Durch die Änderung des Formates auf 16: 9, der Farbigkeit, unterschiedliche Typographie, die Einsprechhaltung des Sprechers und andere Kniffe laufen in der Installation dem Anschein nach nun zwei völlig differente Fernsehfilme, aus dem Jahr 1957 sowie 2016. Historische Dokumentation oder typischer Beitrag des Regionalfernsehen, die das Ausgangsmaterial der Bilder ist das Selbe, der Blick darauf ein völlig anderer.

Es ist dies wieder einmal ein Ausstellungsprojekt des MMKK, das durch eine diskrete Mischung aus Frische und Hintergründigkeit überzeugt und dabei weder oberflächlich noch bequem ist. Das gilt auch für die selbstverständliche und durchgängige Übersetzung aller Texte, Orte und Namen in obersorbische/niedersorbische, slowenische und deutsche Sprache.

Einst im Habsburgerreich gab es für die Kronländer um Österreich herum keine eigene Staatssprache (im Gegensatz zu Ungarn), sodass es den Angeordneten des Reichsrates erlaubt war, in einer der zehn zugelassenen Sprachen zu reden. Alleine übersetzt wurde nicht. Schlechterdings führte das ganz buchstäbliche Nichtverstehen zu tumultartigen Zuständen. Immerhin, heute sind wir weiter. Man vermittelt sich im eigenen Idiom und versteht sich.

Daniela Gregori